Artikel über den Staatsbesuch einer 14 köpfigen Delegation aus Baschkirien am 13.11.2002 in Überlingen und Stuttgart.          (siehe Südkurier Artikel und hier den Artikel der baschkirischen Nachrichtenagentur "bashinform")

14.11.2002

VOLKSDIPLOMATIE

Die Zusammenarbeit in der Abwicklung der Folgen der Flugzeugkatastrophe in Deutschland brachte die Völker einander Näher und gab einen Impuls für die Entwicklung von vielseitigen Beziehungen

Am 13. November weilte eine offizielle Delegation aus Baschkortostan in Deutschland, um der Dankbarkeit unser Republik den Bürgern des Bundeslandes Baden-Württemberg Ausdruck zu verleihen, welche an der Abwicklung der Folgen der Katastrophe teilnahmen. Die Delegation leitete der Vizepremiereminister der Republik Baschkortostan (RB) Ramil Mirssajew, in der Gruppe befand sich ebenso der Leiter des Präsidialamtes der RB, Ildar Gimajew, der Minister für Industrie, Außenbeziehungen und Handel der RB, Boris Kolbin, der Vertreter des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten der Russischen Föderation in der Stadt Ufa, Sinnur Mardanow und andere Persönlichkeiten. Am Flughafen von Friedrichshafen trafen sie den Minister für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg Ulrich Müller, den Oberbürgermeister der Stadt Überlingen Volkmar Weber, andere Vertreter deutscher Behörden und auch den Botschafter der Russischen Föderation (RF) in der BRD Sergei Krylov, den Generalkonsul der RF in Bonn Sergei Nitschajev, den Vertreter der RB in Österreich Wadim Pletnjov. All diese hatten am Tag der Tragödie eine Menge von Dingen auszuführen, die Abstimmung der gut organisierten Arbeit der vielen Dienste und von hunderter Menschen.

Bei dem Fleckchen Brachenreuthe an der Wegeskreuzung wo sich das drei Meter hohe Holzkreuz befindet stehen auf diesem die Ziffern 01.07.2002. In Deutschland wird üblicherweise das Datum der Tragödie mit dem ersten Juli angegeben, bei uns war bereits der zweite Juli angebrochen. Jeder Deutsche weiß, dass es an diesem Tag passierte. Bis heute bringen die Bewohner Blumen hier her und stehen trauernd vor dem Kreuz. Hier und heute versammelten sich viele von ihnen: Augenzeugen, freiwillige Helfer, Übersetzer.

Ein Trauerkranz der gesamten Republik wurde im Angedenken niedergelegt. Mit kargen Worten „wir erinnern, wir lieben, wir trauern“ die die ganze Schwere des Verlustes nicht mitteilen können. Einer nach dem anderen treten die Menschen auf das schon zertretene Gras vor, scharlachrote Rosen niederlegend. Eine Schweigeminute. Der Oberbürgermeister von Überlingen Volkmar Weber spricht es aus : Wir trauern mit ihnen. Wir erinnern jenen Tag, als die Angehörigen der Verstorbenen am Ort des Unglückes waren. Sie nahmen mit sich in ihre Heimat Erden, sammelten Ähren vom Roggenfeld in das ein Trümmerteil des Flugzeuges stürzte. Nun ist dieser Rogen gedroschen und wir möchten ihnen symbolisch diese Ernte für die Eltern als Zeichen unserer Freundschaft und Gastfreundschaft übergeben“.

Ramil Mirssajew nimmt den Korb mit den leinenen Säckchen gefüllt mit dem Korn entgegen. „Wir die Bürger der Republik, sind ihnen dankbar für ihre große unschätzbare Hilfe. Man sagt, Freunde lernt man im Unglück kennen. Sie teilten mit uns den Kummer, durch diese Tragödie kamen wir uns näher. Ich denke unsere Freundschaft wird sich Jahr für Jahr festigen. Hier her werden die Eltern und Verwandten kommen und ich hoffe sie werden sie genau so warm empfangen, wie sie uns empfangen, sagt er. Wir freuen uns sie in unser Land einladen zu können, ihnen zu zeigen wie wir leben, sie mit unserer Kultur, Wirtschaft und natürlich den Menschen bekannt machen zu können.

Der zweite Teil des Besuches war in Stuttgart eingeplant, der Hauptstadt des Bundeslandes Baden-Württemberg. Bis zur Hauptstadt fliegt man aus Friedrichshafen eine halbe Stunde. In einem der schönsten Gebäude der Stadt, dem neuen Schloss, fand die festliche Aushändigung der Dankesbriefe und Erinnerungsgeschenke statt. Mehr als hundert Personen versammelten sich im Marmorsaal des Schlosses.

„Liebe Freunde aus Baschkortostan! Niemand von uns wird je das tragische Ereignis vom ersten Juli vergessen. Wir begreifen die große Last des Verlustes, welches sich in jener Nacht ereignete. Die Regierung Baden-Württemberg dankt den Polizisten, der Feuerwehr, welche eine sehr große Arbeit leisteten, allen die mit den Suchdiensten betraut waren, der Identifizierung der Körper und auch den Bewohnern von Überlingen und den umliegenden Siedlungen, welche an diesem schweren Tag halfen. Als die Angehörigen in unserem Land waren, verstanden sie, dass wir ihre Gefühle teilen. Ich möchte ihnen die Anerkennung unserer Regierung, von Herrn Teufel ausdrücken. Für uns ist es eine große Ehre, dass bei diesem Empfang hohe Gäste aus Russland und Baschkortostan teilnehmen“, sagte der Innenminister des Landes Baden-Württemberg Thomas Schäuble.

In den darauffolgenden Worten sagt der stellvertretende Ministerpräsident Baschkortostans Ramil Mirssajew, welch unwiederbringlicher Verlust unsere Herzen mit Schmerz erfüllt. Aber wir blieben nicht mit unserem Leid allein. Die deutsche Seite vermochte alle Arbeit, an der tausende Menschen teilnahmen, sehr exakt zu organisieren. Und so viel Barmherzigkeit, und menschliches Mitleid wurden den Eltern und Verwandten der Verstorbenen entgegengebracht! In den vergangenen Monaten entstand zwischen unseren Völkern ein wechselseitiges Verständnis, welches sich, so hoffen wir, vielfältig weiter entwickelt in diesen wie auch in Geschäftsbeziehungen. Durch Beschluss des Präsidenten sind 110 deutsche Bürger zur Erholung im Januar in die besten Sanatorien der Republik eingeladen.

Im Namen des Präsidenten der RB Murtasa Rachimov händigte Ramil Mirssajew für das entgegengebrachte Mitgefühl, die Umsicht und die hohe Professionalität Dankschreiben einigen, die an den Maßnahmen zur Abwicklung teilnahmen, aus. In Erinnerung an jenen Tag erhielten einige tapfere deutsche Menschen ein baschkirisches Souvenir, Steinplatten oder Schatullen aus echtem Uralgestein. Und vielen der Ausgezeichneten traten Tränen in die Augen, tief in der Seele bewegt. Für jeden fand Ramil Nurewitsch warme Worte.

In der persönlichen Unterredung drückte die baschkirische Seite die Besorgnis aus, dass sich die Untersuchung der Ursachen der Flugkatastrophe in die Länge ziehen könnte. Die Regierungsvertreter, beteuerten, dass die Arbeiten den üblichen Verlauf gingen. Das Gutachten, welches die Ursachen nachgeht, wird im Sommer erwartet.

Ebenso wird bis zum Sommer das Model des Denkmals fertiggestellt, welches die deutsche Seite plant am Ort der Tragödie zu errichten. Es wurde ein Wettbewerb verschiedener Entwürfe beschlossen, an welchem auch russische Architekten, Designer, Künstler teilnehmen. Im Frühling versammelt sich eine Jury, in deren Zusammensetzung sich einer der Eltern der Verstorbenen und ein baschkirischer Architekt befinden wird.

Es ist, wie wenn es nie solch eine traurige Mission für unsere Delegation gegeben hätte, aber alles im Leben geht weiter. Doch das Schicksal, dass uns durch einen so bitteren Anlass zusammentreffen lies, veranlasste die Regionen sich gegenseitig genauer zu betrachten. Wie beide Seiten klarstellten, könnten die Interessen vielfältig sein.

Zum Beispiel gibt es in Baden-Württemberg eine hochentwickelte Maschinenbauindustrie. Es entstand der Vorschlag eine Kooperation mit der Neftekamski Autofabrik anzubahnen, zur Erschließung der Herstellung von städtischen Bussen mit der Firma „Neoplan“, welche Fernreisebusse herstellen. Es gibt den Vorschlag zu untersuchen ob eine Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz möglich ist. Vorgeschlagen wurden die Dienstleistungen der Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit Baden-Württemberg. Diese ist bereit bei der Veranlassung eines Wirtschaftstreffens zu helfen, beim Anbahnen persönlicher Kontakte, bei der Organisation einer Delegationsreise und weiterem. Es wurde in den Absprachen erreicht, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2003 eine Gruppe deutscher Experten nach Baschkortostan reist um sich mit der Republik vertraut zu machen. Und wir an der Reihe schlugen eine Präsentation baschkirischer Unternehmen in Baden-Württemberg vor. Es gibt ein großes Interesse am Straßenbau, dieser ist bei den Deutschen auf Spitzenposition. Der Kontakt der Jugend ist möglich, es mögen Schüler aus baschkirischen und deutschen Schulen, Studenten in Briefkontakt treten und sich gegenseitig besuchen.

Aber das ist Sache der Zukunft. Und da taucht der Gedanke auf, dass dieser fatale Zufall uns dazu brachte uns an die normalen menschlichen Gefühle zu erinnern, die wir so oft vergessen zu zeigen im alltäglichen Leben in der Hektik. Und die Beziehungen die sich unwillkürlich zwischen den Menschen entwickeln, die Sympathie verstärkend, besser als jeder Diplomat Beziehungen zwischen Völkern herstellen kann, keiner dieser Staatsmänner kann die Menschen dazu bringen ihr Mitgefühl zum Andren auszudrücken. Und wir durften das erleben.

Unsere Verwandten, unsere Nächsten haben ihre so früh abgebrochenen Leben nicht umsonnst gelebt. Die Erinnerungen an Sie werden in unseren Seelen aufbewahrt und geben uns die Kraft weiterzuleben.

Ludmilla Petrowskaja

Bei Druck oder Zitat (vollständig oder auszugsweise) ist ein Verweis auf die Presseagentur „Bashinform“ unabdingbar.

Quelle: Elektronische Zeitung der Republik Baschkirien in russisch.

http://www.bashvest.bashinform.ru/showinf.php?id=351

 


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